Werner Schrempf & Natalie Resch
Bereits seit 2006 ist La Strada eng mit „Reininghaus“ verbunden. Die Künstler*innen der französischen Compagnie KompleXKapharnaüm haben Menschen interviewt, die dort einst gearbeitet und gewohnt haben. Was war da einmal? Was wurde hier gemacht, wo wir uns jetzt befinden? Ihre Geschichten bildeten die Basis des multimedialen Projektes im Reininghaus Park – als kluge und facettenreiche Auseinandersetzung mit dem Stadtteil und dessen Entwicklungspotential. 2013 folgten tausende Menschen Rara Woulib durch unbekannte Zonen der Stadt und Hinterhöfe bis auf die Reininghausgründe – begleitet von Musik und Lichtern. Am Areal endete die Prozession, es wurde bis in die Morgenstunden miteinander getanzt und geredet. Bis heute haben sich neun internationale und lokale Künstlergruppen im Rahmen von La Strada mit Reininghaus auseinandergesetzt, und so ein Bewusstsein für seine Geschichte und Zukunft geschaffen.
Wir versuchen seit Beginn des Festivals immer wieder neue Wege zu gehen. Wir sehen ein großes Potential gemeinsam mit der Stadt, Investor*innen und Entwickler*innen sehr früh Künstler*innen, Expert*innen und künftige Bewohner*innen in die Entwicklung einzubinden. Die Kulturschaffenden bringen quasi die Software ein. Reininghaus kann beispielgebend sein, wie sich ein neuer Stadtteil entwickeln kann – speziell dahingehend, wie Mitgestaltung auf Augenhöhe funktionieren kann.
Was schützen und hinterlassen wir? Teil des Selbstverständnisses des Festivals ist es, Projekte zu realisieren, die mit dem Ort und den Menschen in Beziehung stehen. Sich lokal verorten, von überregionaler Bedeutung sind und gesellschaftlich relevante Fragen verhandeln. In Reininghaus gab es zahlreiche Produktionen, die sich intensiv mit der Geschichte des Familienunternehmens beschäftigt haben, dessen Werte und was davon geblieben ist. Diese breite Auseinandersetzung mit dem Ort wird auch im Kulturjahr Graz 2020 weitergeführt. Dem Vergangenen wird Respekt gezollt, indem es Basis sein kann für Neues. Die temporäre Nutzung der denkmalgeschützten Tennenmälzerei ist ein Beispiel dafür. Angedacht sind auch andere temporäre Einrichtungen, die wieder verschwinden – aber vieles von dem, was dort gedacht und gemacht wurde, soll sich in Folge in den neu entstehenden Quartieren und Häusern bleibend verorten.
Wer lebt hier? Wie gehen wir miteinander um? Zentrale Fragen, denen sich vor allem unsere Community Art-Projekte widmen, in enger Zusammenarbeit von Bevölkerung, Künstler*innen und Expert*innen. Das Publikum ist nicht mehr „nur“ Zuschauer, sondern partizipiert und gestaltet. Wir wollen Räume öffnen, die einen Diskurs über mögliche Formen des Zusammenlebens ermöglichen. Die Meinungen, Gedanken und Geschichten der Menschen werden zur Basis künstlerischer Kreationsprozesse.
Die Zukunft beginnt immer jetzt. Es muss möglich sein, sich vorzustellen, was in zehn Jahren sein kann. In Reininghaus sehe ich ein lokal verwurzeltes Community- und Creation Center, das für den Ort selbst und die Stadt von Bedeutung ist, aber auch österreichweit strahlt und international als Sender und Empfänger agiert. Ein Ort, an dem sich Kunst und Gesellschaft das ganze Jahr über neu erfinden.